Therapie und MS

Multiple Sklerose (MS) ist zwar nicht heilbar, aber oft gut behandelbar. Erfahren Sie im Folgenden mehr über die verschiedenen Therapieoptionen.

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Therapieansätze im Überblick

Die Therapie der MS beruht auf drei Säulen:

Schubtherapie

Bei einem akuten Schub sollte möglichst früh eine Schubtherapie mit Glukokortikosteroiden (GKS) zum Einsatz kommen, um die Beschwerden zu lindern und Folgeschäden durch die Entzündungen in Gehirn und/oder Rückenmark zu verhindern.

In der Regel kommt. Methylprednisolon zur Anwendung, um die Entzündungen zu reduzieren. Dazu erhalten die Patient:innen an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen eine Infusion (500 bis 1000 mg/Tag) in die Vene.Alternativ kann eine orale GKS-Therapie erwogen werden.1

Normalerweise bilden sich die Beschwerden schnell zurück.2 Ist dies nicht der Fall, kann eine erneute hoch dosierte GKS-Therapie mit bis zu 2.000 mg/Tag Methylprednisolon über drei bis fünf Tage erwogen werden.1

Oft äußern Patient:innen Sorgen über mögliche Nebenwirkungen von Kortison. Die kurzfristige Anwendung von GKS führt jedoch in der Regel nicht zu den bekannten Nebenwirkungen einer Langzeittherapie.2 Sollte es dennoch zu Nebenwirkungen wie Magenproblemen, Herzrasen oder Schlafstörungen kommen, sollten Patient:innen sich umgehend an ihr Behandlungsteam wenden.

Eine Alternative zur Eskalation der GKS-Therapie bietet die Plasmapherese oder Immunadsorption1, bei der den Patient:innen Blut über die Vene entnommen wird. Das Plasma wird anschließend entweder durch eine Ersatzlösung ausgetauscht (unspezifische Plasmapherese) oder über Immunadsorption von schädlichen Antikörpern befreit.

Verlaufsmodifizierende Therapie der MS

Für die langfristige Behandlung der MS steht eine Reihe verschiedener Medikamente zur Verfügung, die je nach Verlaufsform, Krankheitsverlauf und den individuellen Bedürfnissen der Patient:innen zum Einsatz kommen können. Sie haben unterschiedliche Wirkmechanismen und unterscheiden sich in der Art und Häufigkeit der Anwendung.1 

Die frühe Diagnose und Behandlung einer MS sind entscheidend für den Therapieerfolg. Zudem zeigen Studien und die Erfahrung aus dem Praxisalltag, dass der frühe Einsatz einer hochwirksamen MS-Therapie gleich nach der Diagnose die Progression der MS besser bremsen kann als der Beginn mit einer moderat wirksamen Therapie.3-6 

Übersicht verlaufsmodifizierende Therapien bei MS (Stand 2024)1,2

VerabreichungsformNameVerlaufsformHäufigkeitWirkweise
InfusionOcrelizumabRRMS
rSPMS
PPMS
Alle 6 Monate*Entfernt bestimmte B-Zellen, die bei der MS eine wichtige Rolle spielen.
Injektion unter die HautOcrelizumabRRMS
rSPMS
PPMS
Alle 6 MonateEntfernt bestimmte B-Zellen, die bei der MS eine wichtige Rolle spielen.
InfusionUblituximabRRMS
rSPMS
Alle 24 Wochen*Entfernt bestimmte B-Zellen, die bei der MS eine wichtige Rolle spielen.
InfusionAlemtuzumabRRMSIm 1. Jahr: An 5 aufeinanderfolgenden Tagen
Im 2. Jahr (und ggf. im 3. und 4. Jahr): An 3 aufeinanderfolgenden Tagen
Entfernt bestimmte T- und B-Zellen, die bei der MS eine wichtige Rolle spielen.
TabletteCladribinRRMS
rSPMS
2 Behandlungsphasen im Abstand von 1 Jahr: Pro Behandlungsphase im 1. und 2. Monat an 4 bzw. 5 aufeinanderfolgenden Tagen
Keine Einnahme im 3. und 4. Jahr
Eine Wiederaufnahme nach dem 4. Jahr wurde nicht untersucht
Reduziert die Anzahl von T- und B-Zellen, die an der MS beteiligt sind.
InfusionNatalizumabRRMSAlle 4 WochenVerhindert die Einwanderung von Immunzellen ins ZNS.
Injektion unter die HautNatalizumabRRMSAlle 4 Wochen 2 InjektionenVerhindert die Einwanderung von Immunzellen ins ZNS.
Injektion unter die HautOfatumumabRRMS
rSPMS
Alle 4 Wochen**Entfernt bestimmte B-Zellen, die bei der MS eine wichtige Rolle spielen.
Injektion unter die Haut oder in den MuskelPeginterferon-beta 1aRRMSAlle 2 WochenInterferone wirken regulierend auf das Immunsystem. Die genaue Wirkweise bei MS ist nicht bekannt.
Injektion in den MuskelInterferon beta-1aRRMS1 x pro WocheInterferone wirken regulierend auf das Immunsystem. Die genaue Wirkweise bei MS ist noch nicht bekannt.
Injektion unter die HautInterferon beta-1aRRMS
rSPMS
3 x pro WocheInterferone wirken regulierend auf das Immunsystem. Die genaue Wirkweise bei MS ist noch nicht bekannt.
Injektion unter die HautGlatirameracetat (40 mg)RRMS3 x pro WocheDie genaue Wirkweise ist nicht bekannt. Vermutet wird eine Aktivierung von entzündungshemmenden Immunzellen.
Injektion unter die HautInterferon beta-1bRRMS
rSPMS
Alle 2 TageInterferone wirken regulierend auf das Immunsystem. Die genaue Wirkweise bei MS ist noch nicht bekannt.
Injektion unter die HautGlatirameracetat (20 mg)RRMS1 x am TagDie genaue Wirkweise ist nicht bekannt. Vermutet wird eine Aktivierung von entzündungshemmenden Immunzellen.
HartkapselFingolimodRRMS1 x am TagReduziert die Anzahl von bestimmten T- und B-Zellen im Blut.
HartkapselOzanimodRRMS1 x am TagReduziert die Anzahl von bestimmten T- und B-Zellen im Blut.
FilmtablettePonesimodRRMS
rSPMS
1 x am TagReduziert die Anzahl von bestimmten T- und B-Zellen im Blut.
FilmtabletteTeriflunomidRRMS1 x am TagHemmt die Vermehrung von T- und B-Zellen und reduziert so deren Anzahl.
FilmtabletteSiponimodSPMS mit Krankheitsaktivität1 x am Tag***Reduziert die Anzahl von bestimmten T- und B-Zellen im Blut.
HartkapselDimethylfumaratRRMS2 x am TagReduziert entzündungsfördernde und erhöht entzündungshemmende Botenstoffe. Die genaue Wirkweise bei MS ist noch nicht vollständig bekannt.
HartkapselDiroximelfumaratRRMS2 x 2 am Tag****Reduziert entzündungsfördernde und erhöht entzündungshemmende Botenstoffe. Die genaue Wirkweise bei MS ist noch nicht vollständig bekannt.
* nach Initialdosis. Bei Therapiebeginn 2 Infusionen im Abstand von 2 Wochen.
** nach Initialdosis. Bei Therapiebeginn 3 Injektionen im Abstand von je 1 Woche.
*** nach Initialdosis. Bei Therapiebeginn 1 Filmtablette an Tag 1 und 2, 2 Filmtabletten an Tag 3, 3 Filmtabletten an Tag 4, 5 Filmtabletten an Tag 5.
**** nach Initialdosis. Bei Therapiebeginn 2 x 1 Hartkapsel täglich für 7 Tage.

Die Adhärenz der Patient:innen ist für  den Erfolg der Therapie von entscheidender Bedeutung. Der Behandlung über Jahre hinweg treu zu bleiben, stellt jedoch häufig eine Herausforderung dar. 

Für die Patient:innen ist es daher sehr wichtig, über verschiedene Therapieoptionen Bescheid zu wissen, um so die Möglichkeit zu haben, eine Therapie zu wählen, die gut zu ihren Bedürfnissen passt.1 

Symptomatische Therapie bei MS

Trotz guter Behandlung kommt es im Verlauf der MS meist zu verschiedenen Symptomen. Dazu gehören zum Beispiel Gleichgewichtsstörungen, Spastiken, Fatigue oder Kognitionsstörungen. Die vielfältigen möglichen Symptome sind typisch für die Multiple Sklerose und erfordern ein entsprechendes Spektrum an symptomatischen Therapien und Behandlungen. Vor beziehungsweise neben einer medikamentösen Maßnahme zur Symptombehandlung können etwa Physiotherapie, Ergotherapie oder physikalische Therapien Linderung verschaffen. Probleme mit der Blasenfunktion lassen sich beispielsweise unter anderem durch Beckenbodengymnastik entgegenwirken. Ausdauersportarten können helfen, die körperliche Belastbarkeit zu stärken und Fatigue vorzubeugen. Kognitionsübungen können die Gedächtnisleistung und die Konzentrationsfähigkeit trainieren.1

Quellen

  1. Hemmer B. et al., Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2023, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie.
  2. Qualitätshandbuch für MS, NMOSD und MOGAD des KKNMS.
  3. Giovannoni G. Oral Presentation O007. ECTRIMS 2022.
  4. Iaffaldano P et al. Ther Adv Neurol Disord. 2021;14:1.
  5. Harding K et al. JAMA Neurol.2019;76:536.
  6. Spelman T et al. JAMA Neurol. 2021;78:1197.