Diagnose der NMOSD und Abgrenzung zur MS
Bis zur Diagnose „NMOSD“ vergeht oft einige Zeit. Da sie zu den seltenen Erkrankungen gehört und einige Gemeinsamkeiten mit der Multiplen Sklerose (MS) aufweist, denken einige Ärzte nicht selten zuerst an die häufiger vorkommende MS.
Diagnosekriterien nach Wingerchuck
Die Diagnose der NMOSD basiert auf dem klinisch auffälligen Beschwerdebild sowie den Befunden der Bildgebung mittels Magnetresonanztomographie (MRT), Liquorbefunden und dem AQP4-Antikörper-Nachweis. Die Diagnosestellung erfolgt nach den 2015 revidierten Kriterien der IPND (International Panel for NMO Diagnosis)-Studiengruppe. Sie unterscheiden zwischen „NMOSD mit AQP4-AK“ (seropositiv) und „NMOSD ohne AQP4-AK“ (seronegativ) oder „NMOSD mit unbekanntem AQP4-AK-Status“.1
In der nachfolgenden Tabelle finden Sie eine Übersicht der NMOSD-Diagnosekriterien:
mit AQP4-IgG | ohne AQP4-IgG oder Status unbekannt | |
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Zentrale klinische Merkmale | Mindestens 1 zentrales klinisches Merkmal: · Sehnerventzündung · Akute Myelitis · Area-postrema-Syndrom: Episode von nicht geklärtem Schluckauf, Übelkeit und Erbrechen · Akutes Hirnstammsyndrom · Symptomatische Narkolepsie oder akutes dienzephales klinisches Syndrom mit NMOSD typischen dienzephalen MRT-Läsionen · Symptomatisches zerebrales Syndrom mit NMOSD-typischen Hirnläsionen | Mindestens 2 zentrale klinische Merkmale treten infolge eines oder mehrerer klinischer Schübe auf: · Sehnervenentzündung · Akute Myelitis · Area-postrema-Syndrom: Episode von nicht geklärtem Schluckauf, Übelkeit und Erbrechen · Akutes Hirnstammsyndrom · Symptomatische Narkolepsie oder akutes dienzephales klinisches Syndrom mit NMOSD-typischen dienzephalen MRT-Läsionen · Symptomatisches Zerebralsyndrom mit NMOSD-typischen Hirnläsionen Und erfüllt alle folgenden Voraussetzungen: · Mindestens 1 zentrales klinisches Merkmal muss Sehnervenentzündung, akute Myelitis mit LETM oder Area-postrema-Syndrom sein · Räumliche Ausbreitung (2 oder mehr unterschiedliche zentrale klinische Merkmale) · Erfüllt ggf. weitere MRT-Voraussetzungen |
Weitere MRT-Voraussetzungen | Opticusneuritis a. Kraniales MRT mit Normalbefund oder nur unspezifischen Marklagerläsionen oder b. MRT der Sehnerven mit entweder T2-Hyperintensität oder KM-Anreicherung, jeweils min. die Hälfte der Länge des N. opticus einnehmend oder das Chiasma betreffend Myelitis a. Spinales MRT mit intramedullärer Läsion, die sich über min. 3 Segmente erstreckt (engl. longitudinally extensive transverse myelitis, LETM) oder b. Fokale Rückenmarksatrophie, die sich über min. 3 Segmente erstreckt Area-postrema-Syndrom Nachweis einer Läsion in der dorsalen Medulla oblongata (Area postrema) Hirnstammsyndrom Nachweis einer periependymalen Hirnstammläsion Dienzephales Syndrom oder Narkolepsie Läsionen mit Beteiligung des Hypothalamus, Thalamus oder periependymaler Areale des dritten Ventrikels Zerebrales Syndrom Große, konfluierende, einseitige oder beidseitige Läsionen, subkortikal oder im Marklager gelegen; langstreckige (mindestens die Hälfte des Corpus callosum umfassende), diffuse, heterogene oder ödematose Corpus-callosum-Läsionen; langstreckige Läsionen entlang des Kortikospinaltrakts – ein- oder beidseitig – unter Beteiligung der Capsula interna und Kleinhirnschenkel; ausgedehnte periependymale Hirnläsionen, häufig mit Schrankenstörung | |
Serologiezellbasierter Assay | Positiver Test auf AQP4-IgG | Negative Tests auf AQP4-IgG |
Differentialdiagnose | Ausschluss alternativer Diagnosen | Ausschluss alternativer Diagnosen |
Differentialdiagnose: Multiple Sklerose
Die NMOSD wird noch häufig als MS fehldiagnostiziert.2 Da MS-Medikamente jedoch unwirksam sind oder sogar schaden können, ist es wichtig, dass die Diagnose NMOSD so schnell wie möglich gestellt wird, um eventuelle Schäden zu verhindern und frühestmöglich eine geeignete Therapie zu beginnen.
Gemeinsamkeiten NMOSD und MS1,3-4
- Frauen sind häufiger betroffen als Männer
- Klinischer Verlauf mit Schüben
- Sensibilitätsstörungen, Sehstörungen, Kraftverlust in den Extremitäten, Dysfunktion von Blase/Mastdarm, Fatigue, Schwindel
Unterschiede NMOSD und MS1,3-4
NMOSD | MS | |
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Medianes Alter bei Erkrankungsbeginn | 39 Jahre | 29 Jahre |
Pathologie | Primäre Schädigung von Astrozyten | Primäre Schädigung von Oligodendrozyten |
Schübe | Schwere Symptomatik ohne vollständige Remission | · Weniger schwere Symptomatik · Im frühen Krankheitsverlauf oftmals vollständige Remission |
Fortschreiten der Behinderung | Rasches, ausschließlich schubabhängiges Fortschreiten | Schubunabhängige Progression |
Biomarker | AQP4-Antikörper | Kein spezifischer Biomarker bekannt |
Inzidenz | Überproportional in der „nicht-kaukasischen“ Population in Industrieländern | · Selten in der „nicht-kaukasischen“ Population · Erhöht bei Kaukasiern |
Opticusneuritis im MRT | · Uni- oder bilateral · Meist hochgradige Visusminderung · MRT: langstreckige N. opticus-Läsion bis ins Chiasma | · Unilateral typisch · MRT: kurzstreckige Ausdehnung, keine Chiasmabeteiligung |
MRT | · Spinal: typ. ≥ 3 Wirbelkörpersegmente, zentrale Läsionen, oft mit Schwellungen, bisweilen Höhlenbildung · Kranial: oft normal oder diencephale Läsionen/ Läsionen in der Area postrema oder unspezifische Läsionen, ~10 % MS-typisch | · Spinal: kurzstreckige lateral oder exzentrisch gelegene Läsionen · Kranial (s. o.): Läsionen periventrikulär, juxta-/ kortikal, infratentoriell |
Liquor | Zellzahl > 50/μl, häufig mit granulozyt. (auch eosinoph.) u./od. monozytärem Anteil, OKB bis ca. 30 %, MRZ-Reaktion ~ 5 % | Zellzahl in der Regel bis 50/μl lymphomonozytär, oligoklonale Banden (OKB) in ~95 %, MRZ-Reaktion in ~78 % |
AQP4-IgG im Serum | 75 % der Patienten | Negativ |