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Was bedeutet Off-Label-Use und welche Rolle spielt er bei seltenen Erkrankungen?

Die Therapiemöglichkeiten bei seltenen Erkrankungen sind häufig durch verschiedene Faktoren eingeschränkt. Bei manchen Erkrankungen kann es sogar sein, dass keine Therapie zur Verfügung steht. Lesen Sie hier mehr über „Off-Label-Use“ und die Forschung bei seltenen Erkrankungen.

In Ausnahmefällen können Ärzt:innen Medikamente auch bei Erkrankungen verordnen, für die sie nicht zugelassen wurden. Zum Beispiel bei seltenen Erkrankungen kann es zum sogenannten Off-Label-Use kommen, da zugelassene Therapien oft fehlen. Wir nehmen den Rare Disease Day 2023 zum Anlass, um über den Off-Label-Use, seine Hintergründe und mögliche Risiken aufzuklären.

Klinische Studien für sichere und wirksame Medikamente

Die Zulassung von neuen Arzneimitteln unterliegt in Deutschland einer strengen Regulierung. Möchte ein pharmazeutisches Unternehmen ein neu entwickeltes Medikament auf den Markt bringen, muss es dessen pharmazeutische Qualität, Sicherheit, Wirksamkeit und Verträglichkeit zunächst in klinischen Studien nachweisen.1,2

Die Phasen einer klinischen Studie

Nachdem aus einer langjährigen Forschung ein erfolgsversprechender neuer Wirkstoffkandidat hervorgegangen ist, durchläuft das Molekül verschiedene Phasen der Prüfung, bevor die Zulassung als neues Medikament beantragt werden kann1,2:

Präklinische Prüfung

An Zellkulturen und später im Tierversuch wird der Wirkstoffkandidat auf Unschädlichkeit für den Menschen getestet. Erst wenn sich der Wirkstoff hier als unbedenklich erweist, erfolgt die Testung im Rahmen einer klinischen Studie.

Phase I

Zunächst wird an wenigen (in der Regel weniger als 100) gesunden Studienteilnehmenden die grundsätzliche Verträglichkeit sowie die geeignete Dosierung und Darreichungsform ermittelt.

Phase II

An etwa 50 bis 500 Patient:innen wird die Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen des Wirkstoffkandidaten untersucht.

Phase III

Hier erfolgt die Prüfung des Wirkstoffkandidaten an einer großen Zahl von Patient:innen. Meist umfassen Phase-III-Studien über 1.000 Teilnehmende.

Phase IV

Nach der Zulassung können sich weitere Studien anschließen, um beispielsweise die Langzeitsicherheit zu gewährleisten oder speziellen Fragestellungen nachzugehen.

Nach erfolgreicher Durchführung der klinischen Prüfung kann das Unternehmen die Zulassung des Medikaments bei der deutschen oder europäischen Zulassungsbehörde beantragen. Von der Entdeckung eines neuen Wirkstoffkandidaten über die klinische Testung bis hin zur erfolgreichen Zulassung vergehen in der Regel mehr als 13 Jahre.3

Indikation: Zulassung in einem bestimmten Anwendungsgebiet

Die Zulassung eines Arzneimittels bezieht sich dabei immer auf eine bestimmte Indikation, also auf ein Anwendungsgebiet. Dieses findet sich in der Fachinformation sowie im Beipackzettel. Das Anwendungsgebiet bezeichnet die Erkrankung bzw. das Beschwerdebild sowie die Personengruppe, für die das Medikament zugelassen wurde. Zudem beinhaltet die Zulassung immer auch die Dosierung und Anwendungsart des Medikaments.4

Was bedeutet „Off-Label-Use“?

Grundsätzlich können Ärzt:innen im Rahmen ihrer Berufs- und Therapiefreiheit Medikamente auch für Krankheiten verordnen, die außerhalb der zugelassenen Indikation liegen.5 Denn in der Praxis kann sich zeigen, dass ein Medikament auch bei anderen Erkrankungen wirksam ist. Diese zulassungsüberschreitende Anwendung wird als Off-Label-Use bezeichnet. Um einen Off-label-Use handelt es sich ebenfalls, wenn Ärzt:innen eine Personengruppe außerhalb der Zulassung behandeln – beispielsweise, wenn Kinder Medikamente erhalten, die nur für Erwachsene zugelassen sind, da für die Behandlung von Kindern keine andere Therapie zur Verfügung steht. Auch eine Änderung der Anwendungsart oder Dosierung bedeutet eine Off-label-Behandlung.6

Welche Risiken können mit einer Off-Label-Behandlung einhergehen?

Da eine Off-Label-Anwendung meist nicht durch klinische Studien geprüft wurde, liegen häufig keine oder nur wenige wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit vor.7 Insbesondere fehlen auch Daten hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen in der Anwendung außerhalb der Zulassung. So kann das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen beim Off-Label-Use höher sein.8 Das erschwert der Ärzteschaft die Abwägung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses. Auch die Änderung der zugelassenen Dosierung beim Off-Label-Use kann mit Risiken verbunden sein, denn häufig kann die richtige Dosis nur abgeschätzt werden. Möchten Ärzt:innen ein Medikament off-label einsetzen, sind sie verpflichtet, die Patient:innen umfassend über Nutzen und Risiken aufzuklären und ihre Zustimmung einzuholen.7

Beim Off-Label-Use kann sich für die verordnenden Ärzt:innen außerdem ein Haftungsrisiko für eventuelle gesundheitliche Schäden durch die Medikamentenanwendung ergeben. Hat das pharmazeutische Unternehmen dem Off-Label-Use zugestimmt oder durch sein Verhalten seine Zustimmung nahegelegt, geht die Haftung auf dieses über.7 Pflegekräfte, die auf Anordnung der behandelnden Ärzt:innen Medikamente off-label verabreichen, müssen dagegen keinerlei haftungsrechtliche Risiken befürchten, denn hier gilt die Anordnungsverantwortlichkeit.9

Neben dem haftungsrechtlichen Risiko besteht für Ärzt:innen ein strafrechtliches Risiko, wenn ihnen ein als Fahrlässigkeit bewertetes Fehlverhalten bei der umfassenden Aufklärungspflicht unterläuft.10

Voraussetzung für den Off-Label-Use als Krankenkassenleistung

Damit die Kosten der Off-Label-Behandlung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So muss es sich um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung handeln und die Datenlage muss für einen zu erwartenden Therapieerfolg sprechen. Die „Expertengruppe Off-Label“ des BfArM übernimmt hier die wissenschaftliche Bewertung und empfiehlt anschließend den Off-Label-Use als verordnungsfähig oder nicht verordnungsfähig.4,7

Off-label-Use bei seltenen Erkrankungen

In der Regel sollten Patient:innen ein in der Indikation zugelassenes Medikament erhalten. Doch nicht für jede Erkrankung stehen zugelassene Therapien zur Verfügung – insbesondere bei seltenen Erkrankungen fehlen diese häufig.

Seltene Erkrankungen stellen nicht nur die Ärzteschaft und die betroffenen Patient:innen vor große Herausforderungen. Auch die Entwicklung und Zulassung von Therapien ist hier erschwert. Aufgrund der Seltenheit der jeweiligen Erkrankung ist die Rekrutierung einer auswertbaren und ausreichend großen Studienpopulation meist aufwendig und erfordert langwierige, kostenintensive Kooperationen mehrerer Studienzentren. Gleichzeitig sind die finanziellen Mittel für die Erforschung von seltenen Erkrankungen sowie die Entwicklung von Therapien unverhältnismäßig begrenzt.11 Ein Off-label-Use kann bei seltenen Erkrankungen leider in einigen Fällen die einzige Therapieoption darstellen.

Entwicklung neuer Medikamente für seltene Erkrankungen

In den letzten Jahren hat sich jedoch bei der Behandlung von seltenen Erkrankungen viel getan. Die im Jahr 2000 eingeführte europäische Orphan-Drug-Verordnung erleichterte die Entwicklung und Zulassung von Medikamenten. Mittlerweile wurden mehr als 200 sogenannte Orphan Drugs in der EU zugelassen und jedes Jahr kommen neue hinzu.12

Darunter befinden sich auch Wirkstoffe zur medikamentösen Langzeittherapie bei NMOSD. Lange gab es für diese seltene Erkrankung keine zugelassenen Therapien und der Off-Label-Use war die einzige Option für die Patient:innen. Doch mittlerweile stehen dank intensiver Forschung drei Medikamente zur Schubprophylaxe bei NMOSD in Deutschland zur Verfügung (Eculizumab, Inebilizumab und Satralizumab▼). Diese bieten rund 18.000 Patient:innen in der EU neue Möglichkeiten einer klinische geprüften und zugelassenen Therapie bei NMOSD.

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass dieser Artikel keinen Einsatz unserer oder anderer Produkte vor oder außerhalb der jeweiligen arzneimittelrechtlichen Zulassung bezwecken oder fördern soll.

▼ Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Bitte melden Sie Nebenwirkungen an die Roche Pharma AG unter grenzach.drug_safety@roche.com oder Fax +49 7624/14-3183 oder an das Paul-Ehrlich-Institut unter www.pei.de oder Fax: +49 6103/77-1234.